Jüdischer Fußball in Dresden

Logo auf dem Trikot eines zionistischen, Berliner Fußballvereins. Eventuell trug Bar Kochba ein ähnliches Logo auf der Brust..
Logo auf dem Trikot eines zionistischen, Berliner Fußballvereins. Eventuell trug Bar Kochba ein ähnliches Logo auf der Brust..

 

Am Samstag kickt der Dresdner SC gegen den LSV Neustadt/Spree. An diesem Tag jährt sich ein trauriger Höhepunkt der Deutschen Geschichte zum 75. mal. Am 9. November 1938 standen im Deutschland der Nationalsozialisten jüdische Geschäfte und Gebetshäuser in Flammen. In Dresden wurde, nur als berühmtestes Beispiel, die Synagoge, entworfen von Gottfried Semper, Opfer der Flammen. Dieser Exzess wurde von den Nationalsozialisten zynisch als Reichskristallnacht bezeichnet, „Kristall“ für die zerschlagenen Fensterscheiben der jüdischen Geschäfte. In der Geschichtswissenschaft fanden die Ereignisse Eingang als Reichspogromnacht. Dieses traurige Jubiläum nehmen wir zum Anlass, aus einem anderen Blickwinkel auf die Dresdner Fußballgeschichte zu schauen. Vereine wie die HATiKVA oder die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dresden leisteten und leisten dabei wertvolle Arbeit für die Rekonstruktion jüdischen Lebens in Dresden. Wir haben versucht, ihre Erkenntnisse, die den Fußball in Dresden betreffen, in einen größeren Kontext einzubinden.

 

 

Zurück ins Jahr 1938. Die Pogrome markierten einen Wendepunkt in der nationalsozialistischen Innenpolitik: Der Umgang mit den jüdischen Deutschen wandelte sich von offener Diskriminierung, hin zu systematischer Verfolgung, die bekanntermaßen in der Shoa, im industriellen Massenmord an 6.000.000 Jüdinnen und Juden kulminierte. Mit den Novemberpogromen wurden auch dem jüdischen Sportwesen ein Ende gesetzt. Uns überraschte der Fakt, dass es 1938 überhaupt noch jüdische Sportvereine gab, die noch nicht verboten waren.

 

Die Sportlandschaft der Weimarer Republik war bekanntermaßen sehr segregiert. Es gab katholische Verbände, es gab protestantische, kommunistische, sozialdemokratische, nationalistische und „bürgerliche“ Sportverbände. Dementsprechend gab es auch jüdische Sportverbände. Welche sich wiederum untereinander noch einmal teilten, in zionistische oder assimilatorische Verbände. So gab es Makkabi, der kämpferische Name lässt vermuten, dass es sich hier um einen zionistischen Verband handelte. Judas Makkabäus war der Name des Anführers eines Aufstands der Juden im zweiten vorchristlichen Jahrhundert gegen die Seleukiden unter Antiochos IV., dessen Religionsedikts den Konflikt zum Eskalieren brachte. Außerdem gab es den VINTUS (Verband jüdisch-neutraler Turn- und Sportvereine) und den Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF). Letzterer wurde gegründet, um der antisemitischen Propaganda entgegen zu wirken, die die Juden für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich machte oder ihnen ihrer Verdienste in selbigem Absprach. Ein weiterer Zweck war die Durchführung eines Trainings zur Selbstverteidigung.

 

Dieses Verbände waren jedoch nur minder erfolgreich im Rekrutieren von Mitgliedern. Die jüdischen Fußballvereine Süddeutschlands beispielsweise, wie Bar Kochba München, Hakoah Karlsruhe oder Schild Mainz, nahmen am Spielbetrieb des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes teil, welcher wiederum zum DFB gehörte und vor der Machtübertragung an die Nationalsozialisten zu den größten Befürwortern der Einführung einer Reichsliga zählte. Nicht nur, dass die Nazis die Einführung des Berufsspielertums und einer Reichsliga verhinderten, die Machtübertragung führte zu einer Gleichschaltung des Sportwesens, die zunächst die Ausschaltung aller Konkurrenzverbände der Weimarer Republik bedeutete. Für den DFB wären hier exemplarisch die Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (KG) der Kommunisten und der sozialdemokratische Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) zu nennen.

 

Der Ausschluss der „Juden“, viele hatten sich nie dieser Religion zugehörig gefühlt, fand anschließend meist auf freiwilliger Basis statt. Exemplarisch bei der Deutschen Turnerschaft, aus der mit Hilfe der Einführung eines sogenannten „Arierparagraphen“ Jüdinnen und Juden  verdrängt wurden. Im Fußball beruhte der Ausschluss der Juden auf Eigeninitiative der Vereine, staatliche Vorgaben oder Vorgaben seitens des DFB, bzw. des neuen Dachverbands, dem Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen, unter der Leitung des Reichskommissars für Turnen und Sport, Hans von Tschammer und Osten, der bald den Titel Reichssportführer trug, gab es zunächst nicht. Ob und wie viele angebliche "Juden" oder jüdische Deutsche bis dato beim Dresdner SC Sport trieben und wie dieser reagierte, ist nicht bekannt.

 

Bekannt ist hingegen, dass es auch in Dresden einen jüdischen Fußballverein gegeben hat. Dessen Existenzrecht blieb, wie im gesamten Reich, im Hinblick auf die anstehende Olympiade zunächst unangetastet. Die vielen aufgrund ihrer Abstammung aus dem "bürgerlichen" Vereinswesen ausgeschlossenen Sportlerinnen und Sportler verschafften den jüdischen Vereinen einen regen Zulauf, weil sie nur noch dort Sport treiben durften. Auch viele ArbeitersportlerInnen versuchten hier unterzukommen. Vor 1933 fast bedeutungslos, kam es zu einem extremen Anstieg der Mitgliederzahlen. Der größte Reichsverband, Makkabi, hatte 1934 81 Vereine als Verbandsmitglieder, in denen 18.000 Menschen organisiert waren. 1932 waren es gerade 21 Vereine und 4.000 Menschen. Im Fußball erwies sich der Zulauf als problematisch, zwar hatte Reichssportführer von Tschammer und Osten darauf hingewiesen, dass die Benutzung öffentlicher Anlagen durch jüdische Vereine erlaubt sei, doch der Zusatz, dass dies nur für Anlagen gelte, die nicht von Schulen oder Sportvereinen des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen gebraucht werden, führte das ganz ad absurdum und öffnete der Willkür Tür und Tor.

Juden in Dresden, S. 81.
Juden in Dresden, S. 81.

In Dresden wurde 1919 der Dresdner Sportverein Bar Kochba gegründet. Bar Kochba zählte zu den üblichen Namen für jüdische Sportvereine. Simon bar Kochba oder Ben Kosiba stand dabei für den Anführer des, aus römischer Perspektive als zweiter Bellum Judaicum bekannte, Aufstands gegen die römische Besatzung in der Provinz Judäa. Eine Art antiker Guerilla Krieg. Man könnte diese Bezeichnung als eine explizite Andeutung auf die zionistische Ausrichtung des Vereins deuten.

 

Der DSV Bar Kochba trug seine Leichtathletikveranstaltungen anfangs auf dem Platz an der Lennéstraße aus, die Fußballer spielten auf einem Platz in Mickten. Es ist die Rede von einem Sportplatz am „Brandenburger Platz“, unsere Vermutung legt nahe, dass es sich dabei um den Platz des SV Brandenburg handelt und nicht um eine Ortsangabe im Sinne eines Straßennamens. Am 14. Oktober 1928 konnte der SV Bar Kochba seinen ersten eigenen Sportplatz einweihen. Und zwar im Dresdner Ostragehege, als Pacht übergeben von der Stadt Dresden. Der Platz lag zwischen denen des Dresdner SC und des Dresdner Postsportvereins. Der Eingang zum Platz erfolgte über die Pieschener Allee. Ortsangaben auf Karten legen nahe, dass es sich dabei um einen Vorläufer der "Pie21" handeln könnte. Dies bedürfte jedoch eingehender Untersuchung. Gegner bei der Platzweihe war übrigens Hakoah Breslau.

 

Juden in Sachsen, S. 27.
Juden in Sachsen, S. 27.

An der Pieschener Allee wurden Wettkämpfe mit jüdischen aber auch nicht-jüdischen Vereinen ausgetragen. Das größte Problem für den einzigen jüdischen Fußballverein in Dresden ab Mai 1933 war jedoch, dass der Spielbetrieb mit „reinrassischen“ Vereinen verboten wurde. Freundschaftliche Begenungen mit anderen Vereinen blieben weiterhin gestattet.

 

Bald gründete sich in Dresden ein zweiter jüdischer Fußballverein. Mit dem von der Ortsgruppe des RjS gegründeten Verein, mit dem Namen Schild, wären Begegnungen möglich gewesen. Im Dezember 1933 zählte Schild Dresden bereits 200 Mitglieder. Schild trainierte in Gruna auf einem Sportplatz an der Liebstädter Straße. Wohl möglich wurde der Platz frei, als der Arbeitersportverein Helios Dresden 1933 verboten wurde. Somit gab es keine Alteingesessenen mehr, die hätten Anspruch erheben können. Wobei Helios auf seinen Vereinsseiten mitteilt, erst nach dem Zweiten Weltkrieg die heimische Spielstätte an der Oskar-Röder-Straße aufgegeben zu haben.

 

Die Reichsverbände des assimilatorisch gesinnten Schild und dem zionistischen Makkabi, dem der DSV Bar Kochba wahrscheinlich angehörte, standen sich ablehnend gegenüber. Beide beanspruchten den Alleinvertretungsanspruch für die sporttreibenden jüdischen Deutschen. Eine Situation, ähnlich der in der Deutschen Arbeiterbewegung, in der sich KG und ATSB unversöhnlich gegenüberstanden, die in der Basis jedoch meist mit Unverständnis aufgenommen wurde. Im Mai 1936 verbot Makkabi seinen Vereinen Aufeinandertreffen mit Schild-Vereinen. Es dauert bis zum März 1937, bis dieses Verbot aufgehoben wurde.

 

Im Jahr 1935 zählte der DSV Bar Kochba 500 Mitglieder. Der Fakt, dass der Verein ab August 1935 auf dem Sportplatz Radrennbahn Reick trainierte und spielte, könnte ein Indiz dafür sein, dass der DSC oder der Postsportverein den Bar-Kochba-Platz im Gehege für sich beanspruchten und nach der Vorgabe des Reichssportführers von der Stadt zugewiesen bekamen.

 

Im Nachgang der Pogrome des 09. November 1938 wurden die Vereine aufgelöst und ihre Vermögen wurden konfisziert. Als Teil einer zynischen Wiedergutmachung für die Schäden, die durch die Pogrome zustande kamen. Damit fand die kurze Geschichte des jüdischen Fußballs in Dresden ein jähes Ende.

 

Wer Fehler findet, oder wem Ungereimtheiten auffallen, sei sich bitte nicht zu Schade, uns zu schreiben und sein Wissen mit uns zu teilen. Wir sind über jeden Hinweis äußerst dankbar!

 

Verwendete Literatur:

HATiKVA – Die Hoffnung Bildungs- und Begegnungsstätte für Jüdische Geschichte und Kultur Sachsen: Spurensuche – Juden in Dresden / ein Begleiter durch die Stadt, Hamburg 1995.

 

Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dresden e.V.: Juden in Sachsen, Ihr Leben und Leiden, Leipzig 1994.

 

Skrenty, Werner: Jüdische Sportvereine: Makkabi und Sportbund Schild, 1933 bis 1938, in: Pfeiffer, Lorenz / Schulze-Marmeling, Dietrich (Hrsg.): Hakenkreuz und rundes Leder, Fußball im Nationalsozialismus, Göttingen 2008, S. 474 – 488.

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Kommentare: 1
  • #1

    MV Radi (Dienstag, 02 Dezember 2014 13:13)

    Eine sehr informativer und wichtiger Text zu einem sehr ernsten Thema. Schade, dass das Dresdner Fußball Museum auf seiner facebook-Seite bei seinem Eintrag zu dem Verein ein Jahr später nicht darauf zurückgreift bzw. bezug nimmt.

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