SG Dresden-Friedrichstadt - ZSG Horch Zwickau 1:5 (1:3)

 ©Pressebild-Verlag Schirner
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Original-Bildbeschreibung:

"Entscheidung um die Ostzonenmeisterschaft!

Im Beisein von 60.000 Zuschauern lieferten sich die Spitzenreiter der Ostzonenliga, Horch Zwickau und Dresden-Friedrichstadt eine wahre Fußballschlacht, die mit 5:1 zugunsten der Zwickauer endete. Zwickau ist damit Meister. Nach dem Spiel gab es wüste Szenen, bei denen sogar die Spieler verprügelt wurden.

Nach der Verletzung des Dresdners Hövermann in der 2. Halbzeit gab es einen gewaltigen Publikumsskandal und verschiedene Zuschauer stürmten das Spielfeld."

 

Am 16. April 1950 kam es während und nach der Partie zwischen der SG Dresden-Friedrichstadt und der ZSG Horch Zwickau zu turbulenten Szenen. Im Rahmen des 26. und letzten Spieltags der erstmalig ausgetragenen Oberliga der Demokratischen Sportbwegung wurde der Ostdeutsche Meister ausgespielt. Funk und Fernsehen priesen die Begegnung als das Endspiel um die Fußballmeisterschaft der Deutschen Demokratischen Republik, denn es standen sich die  punktgleichen Tabellenführer der Liga gegenüber.

 

Das Spiel mobilisierte die Massen. 60.000 ZuschauerInnen, davon 4.000 aus Zwickau, bevölkerten das Heinz-Steyer-Stadion im Ostragehege. Hundertausende verfolgten die Geschehenisse an den Radiogeräten und die DEFA hatte ein eigenes Filmteam vor Ort. Ignatz Bubis erinnerte sich: "Da die Spiele der DDR im Westen nicht übertragen wurden, fuhr ich in Stuttgart auf den Killesberg, von wo aus es möglich war, im Autoradio die Übertragung aus der DDR zu hören."

 

Die Begegnung zwischen der Zentralsportgemeinschaft und dem DSC-Nachfolger ging als das "Skandalspiel" in die Dresdner Fußballannalen ein. Für die Dresdner Fußballfans war die Schiedsrichterleistung skandalös, für die Staatsmacht das Verhalten des Publikums. Spielverlauf und die Entscheidungen des Spielleiters führten dazu, dass die Gemüter während der Partie derart hochkochten, dass ein größeres Aufgebot der Polizei notwendig war, um die ZuschauerInnen zurück auf die Tribünen zu drängen, um die Partie zu Ende spielen zu können. Eine Siegerehrung im Stadion verhinderte die aufgebrachte Menge. Besonders hart erwischte es den Kapitän der Zwickauer. Helmut Schubert stand mit dem Dresdner SC in beiden Meisterschafts- und Pokalfinals und verließ unter Schlägen und Hieben das Spielfeld.

 

Bei der Meisterehrung im Waldpark-Hotel auf der Prellerstraße in Dresden-Blasewitz verkündete Helmut Schön: "ZSG Horch Zwickau war unbestreitbar die bessere Mannschaft. Wir reichen unseren Zwickauer Kameraden die Freundeshand!" Wohlmöglich plagte Schön ein schlechtes Gewissen. Nach Abpfiff verweigten die Friedrichstädter noch den Handschlag. Außerdem erreichte Schön während des Spiels nicht ansatzweise fußballerische Normalform. Hans Kreische meinte gar, er "spielte beinahe willenlos" und mutmaßte: "Er war wohl mit den Gedanken schon in Westberlin." Nach Pfingsten setzte sich Schön mit anderen Spielern in den Westen ab. Auch der Linksaußen Henry Keßler klagte: "Vergeblich hofften Drognitz und ich auf die Vorlagen von Helmut Schön." 

 

SG DRESDEN-FRIEDRICHSTADT

 Trainer: Helmut Schön

Kurt Birkner

Walter Kreisch - Kurt Jungnickel

Hans Kreische - Gottfried Hövermann - Henry Steinbach

Rolf Drognitz - Walter Werner - Kurt Lehmann - Helmut Schön - Henry Keßler

 

 

1:5
(1:3)


   Siegfried Meier - Karl Dittes - Lothar Kunack  -  Herbert Heinze - Heinz Satrapa

Hanno Breitenstein - Helmut Schubert - Lothar Schürer

Egon Jugel - Manfred Fuchs

Max Hofsommer

Trainer: Herbert Melzer

 ZSG HORCH ZWICKAU

 

Tore: 1:0 Lehmann (3.), 1:1 Satrapa (9.), 1:2 Heinze (24.), 1:3 Meier (43.), 1:4 Lehmann (48., Eigentor), 1:5 Heinze (67.)

ZuschauerInnen: 60.000 (Heinz-Steyer-Stadion)

Besonders Vorkomnis: Friedrichstadt ab Mitte der Ersten Hälfte in Unterzahl (Kapitän Kreisch kann aufgrund einer Knieverletzung nicht weiter spielen)

Schiedsrichter: Willi Schmidt (Schönebeck)

 

Schubert (li.) und SGF-Kapitän Kreisch (r.) mit Fahne auf der Brust (FuWo April 1950)
Schubert (li.) und SGF-Kapitän Kreisch (r.) mit Fahne auf der Brust (FuWo April 1950)

Ob der Schiedsrichter auf Anweisung der Oberen handelte, wir sich nicht letztgültig beweisen lassen. Einigkeit über die miserable Leistung des Unparteiischen bestand dennoch. Der Dresdner Mittelstürmer Kurt Lehmann gab zudem zum Besten, ein Gespräch zwischen Schiedsrichter-Obmann Gerhard Schulz und dem Spielleiter belauscht zu haben, indem die Anweisung erteilt wurde, pro Zwickau zu pfeifen, was der bekanntermaßen robusten Spielweise der Zwickauer sehr entgegen kam. In der Folge musste Kapitän Kreisch nach Foul verletzt den Platz verlassen. Im zweiten Durchgang traf es auch noch Hövermann. Zwischenzeitlich kickte die SGF nur zu acht. Zudem waren Steinbach und Keßler angeschlagen in die Partie gegangen.

 

Die Sportführung der jungen Republik nutzte die Gelegenheit um ein Exempel zu statuieren. Für sie galt die SG Friedrichstadt als Repräsentant vergangener Tage und ihrer Praktiken. Den Beweis dafür erbrachten die Kicker von selbst: Sie traten in weißen Trikots an, auf denen das Logo des von den Alliierten verbotenen Dresdner SC aufgetragen war. Zudem hatte sich die Sportgemeinschaft aus dem Ostragehege bis dato geweigert, sich in das neue System der Betriebssportgemeinschaften eingliedern zu lassen. Während die Sportler fortan nach Gutdünken delegiert werden sollten, hatten die Verantwortlichen der SG Friedrichstadt ihre gesellschaftlichen Kontakte dazu genutzt, die besten Dresdner Kicker um Spielertrainer Helmut Schön im Ostragehege zu versammeln. 

 

Die Ausschreitungen beim Spiel gaben der der Sportführung den Vorwand, die SG Dresden-Friedrichstadt aufzulösen. Im Vowärts hieß es: "Die Vorfälle sind vorüber, aber noch nicht vergessen. Die fanatischen DSC-Anhänger werden sich wahrscheinlich damit abfinden müssen, daß sie für längere Zeit ihre Mannschaft nicht mehr im Heinz-Steyer-Stadion sehen können. Wahrscheinlich bis zu dem Tag, da auch der Letzte endlich begriffen hat, daß Skandalszenen auf dem Fußballplatz von der demokratischen Sportbewegung mit der Schärfe geahndet werden, die sie im Interesse des Sports verdienen."

 

Literatur:

- Bernd-M. Beyer, Helmut Schön: Eine Biografie, Göttingen 2018.

- Ignatz Bubis mit Peter Sichrovsky, Damit bin ich noch längst nicht fertig, Berlin 1996.

- Jochen Leimert, Als Ulbricht im Heinz-Steyer-Stadion den Volkszorn zu spüren bekam, in: Dresdner Neuste Nachrichten, 16. April 2020. Online.

- Hanns Leske, Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder, Göttingen 2004.

- Klaus Querengässer, 100 Jahre Fußball in Dresden, Dresden 1993.

- Peter Salzmann, Fußballheimat Dresden - Geschichte und Geschichten zwischen Abpfiff und Anstoß, Kassel 1995.
- Helmut Schön, Fußball, Frankfurt am Main u.a. 1978.

- Martin Zöller u.a., Fußball in Vergangenheit und Gegenwart, Band 2: Geschichte des Fußballsports in der DDR bis 1976, Ost-Berlin 1978.

 

Links:

https://www.dsc-archiv.de/wiki/1._Mannschaft_1949/1950

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